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Käse und Rohmilch - Gesundheit und Natur
Eins funktioniert nicht ohne das Andere
Text © Herbert Schwab
Die Geschichte des Käsekessels begann in der Schweiz. Ich bin Sohn eines
Käsers und machte meinen ersten Käse im Alter von 10 Jahren. Später
übernahm ich eine Alp als Senn, auf der ich einige Jahre auf traditionelle
Art auf Holzfeuer käste.
Der Unterschied zwischen einem Käser und einem Senn ist, dass der Käser
genau weiß, was er welcher Milch zufügen muss, um einen ganz bestimmten,
gleichbleibenden Käse herzustellen. Dafür lernt er, die Zusammensetzungen
der Milch zu prüfen, die Eigenschaften bestimmter Substanzen und die Auswirkung
von Milligramm an Zutaten für einen Käse kennen. Käser ist ein
Ausbildungsberuf. Im Gegensatz dazu ist der Senn ein Stand, vielleicht vergleichbar
mit einem Bischof. Man wird in diesen Stand erhoben, wenn man geeignet und eine
Stelle frei ist. Manche Menschen arbeiten viele Jahre lang auf Alpen und werden
nie Senn, andere schaffen es in kurzer Zeit. Das Geheimnis ist die Liebe zum
Käse, zu den Tieren und zu der Milch. Ein Senn macht seine Milch selber,
schaut sie sich an und überlegt, welchen Käse man mit ihr machen kann.
Denn die Milch ist nicht immer gleich. Wenn eine Kuh hauptsächlich Heu
frisst, dann schmeckt auch ihre Milch anders, als wenn sie frische Kräuter
frisst. Diese geschmacklichen Unterschiede nutzt der Senn, um seinen ganz speziellen
Käse herzustellen. Ein Senn ist Chef, Tierarzt, Käser und Handwerker
in einem. Er hat das Kommando über eine ganze Alp, und wenn sein Käse
misslingt, hängt davon das Einkommen eines ganzen Sommers ab.
Im Käsekessel werden Sennenkäse hergestellt, die aus der Schweiz
nie in den Export gelangen, da sie meist schon versprochen sind, bevor der
Senn am Ende des Sommers ins Tal kommt.
Gehört hat man das normalerweise schon, aber wer weiß eigentlich,
was es damit auf sich hat?
Je nach Alp und Winter, geht der Senn kurz vor den Alpaufzügen auf
die Alp und schaut nach dem Rechten, denn die Hütte hat ja den Winter
über leer gestanden. Zu den Alpaufzügen putzt er sich heraus (mitunter
kommt dafür extra ein Frisör nach oben), geht runter ins Tal und
trifft sich dann mit den Bauern auf einer Wiese. Dort werden dann die besonderen
Eigenschaften jeder einzelnen Kuh besprochen. Immerhin ist wichtig, dass
man Rosa immer extra rufen muss, weil sie sonst nicht hört, Berta hat
den Hang dazu, sehr weit wegzulaufen, und Flora hat etwas am Bein, auf das
man achten muss. Jede Kuh ist frisch geputzt, gestriegelt und geschmückt,
die schönsten Glocken werden ausgesucht und alles sieht sehr festlich
aus. Dann geht es los nach oben. Vorne weg der Senn, gefolgt von den alperfahrensten
Kühen, dann ein Pulk von Kühen und Bauern, Zusenn und Kuhjunge
kommen auch gleich mit rauf auf die Alp. Unterwegs werden die Eigenheiten
der Kühe besprochen. Sie wissen ja ... das Bein von Flora...
Oben angekommen, verteilt der Senn erst mal die Arbeit an die Bauern. Der
Brunnen bringt kein Wasser mehr, da vorne müssen Steine neu geschichtet
werden, der Entwässerungsgraben gehört repariert. Also wird angepackt
und geholfen, wobei der eine oder andere Schluck Schnaps durch manche Kehle
fließt. Natürlich wird dabei noch mal Floras Bein besprochen
und die Story von Berta erzählt, die letztens so weit weg lief. Gegen
Abend trennen sich die ersten Gruppen von Bauern, nicht ohne beim Verabschieden
noch mal auf Floras Bein hinzuweisen und das dem Senn auch noch mal aufzuschreiben.
Sie gehen mit einer Liste der zu besorgenden Dinge zurück ins Tal und
wer zu viel getrunken hat oder sich noch nicht von seiner "Rosa"
trennen kann, verbringt die Nacht auch schon mal im Heu.
Vorneweg erst mal was zur Arbeitsaufteilung:
Grundsätzlich fängt jeder auf den Alpen mal als Kuhjunge an.
"Junge" hat in dem Fall nichts mit dem Alter zu tun. Man kann
auch mit 60 noch Kuhjunge sein. Seine Aufgaben umfassen alles rund um die
Tiere. Zu Anfang werden ihm kleine Gruppen von Rindern anvertraut, dann
heißt er "Hirte", später darf er auch mal Kühe
hüten. Je nachdem als wie zuverlässig er sich erweist, werden
die Kuhherden immer größer. Der Kuhjunge ist den ganzen Tag mit
den Kühen unterwegs. Auch wenn sein Stand in der Hierarchie der Bauern
und Sennen der Unterste ist und nicht ihm, sondern dem Senn erklärt
wurde, was mit jeder Kuh ist, gibt es Leute, die ihr Leben lang nichts anderes
sein wollen, als Kuhjunge oder Hirte. Es ist schon was Besonderes einen
Sommer in Abgeschiedenheit nur mit den Tieren zu verbringen.
Der Zusenn ist der, der auf der Alp dem Senn bei der Arbeit hilft. Wenn
sich ein Kuhjunge als gut erweist, darf er später als Zusenn den Käse
waschen, das Feuerholz hacken, beim Haushalt helfen oder was sonst noch
so anfällt, und dem Senn bei seiner Arbeit über die Schulter schauen.
Je nachdem wie sich ein Zusenn anstellt, darf er auch mal unter Aufsicht
einen Käse herstellen. Erst wenn ein Senn einen Zusenn für gut
befindet und auf einer Alp ein Senn gesucht wird, kann es dem Zusenn passieren,
dass der Senn ein gutes Wort für ihn einlegt, die Alp übernehmen
zu dürfen. Senn sein zu dürfen ist also eine Auszeichnung für
gute Arbeit und Vertrauenswürdigkeit.
Auf kleinen Alpen (bis ca. 20 Kühe) macht die gesamte Arbeit der Senn
selber. Bis ca. 40 bekommt der Senn einen Kuhjungen und ab ca. 60 Tieren
kommt ein Zusenn dazu. Ab ca. 100 Tieren verteilen sich die Arbeiten etwas,
je nachdem, wer sich als wie brauchbar erweist.
Morgens bestimmen die Kühe den Zeitpunkt des Melkens. Kommen die Kühe,
wird gemolken, kommen sie nicht, muss der Kuhjunge sie suchen und sie sich
mal anschauen, ob sie schon Lust haben gemolken zu werden, oder lieber noch
eine halbe Stunde warten wollen. Melken tun alle gemeinsam, dann macht sich
jeder an seine Arbeit. Der Kuhjunge zieht mit den Kühen los, der Zusenn
macht die Hausarbeit und der Senn bereitet alles zum Käsen vor.
Im Laufe des Sommers kommt immer mal wieder ein Bauer auf die Alp, bringt
mit was so gebraucht wird, begutachtet das Bein von Flora und erzählt
die Geschichte seiner Kuh Berta, wie sie das eine Mal so weit weggelaufen
ist. Natürlich erkundigt man sich dabei, welcher Bauer denn schon da
gewesen ist und lästert über die, die ihre Kühe nicht besuchen
kommen.
Am Ende des Sommers ziehen alle zurück ins Tal. Diesmal sind nicht die
Kühe, sondern der Wagen mit dem Käse geschmückt. Mit "Halli"
und "Hallo" werden die Kühe in Empfang genommen und der Käse
unter den Kunden verkauft. Der gute Käse wird dann mit einem Schnaps gefeiert.
Die Bauern haben den Sommer über geheut und liefern ihre Milch im Winter
an die Käsereien. Die Angestellten auf der Alp gehen im Winter anderen
Arbeiten nach. Ich arbeitete als Schornsteinfeger.
Auch in der Schweiz wird Sennenkäse immer seltener. Inzwischen stehen auch auf vielen Alpen die Melkmaschinen mit Pipelines für den Transport der Milch zum Tal. Die Technik hat also auch auf dem Berg schon Einzug gehalten. Und welcher Senn weiß noch die Namen von über 1000 Kühen?
Vielleicht hat diese Erzählung Ihr Interesse an der Arbeit als Kuhjunge oder Zusenn geweckt. Die Stellenvermittlung für Arbeiten auf Schweizer Alpen finden Sie bei Zalp.
Alle Angaben ohne Gewähr
© H. Schwab