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Weidefolgesystemen

1 Herby

hi Pferde-Bauer

Mich wuerde mal interessieren, in wie weit Erfahrungen mit Weidefolgesystemen bestehen, bei denen man die Tatsache nutzt, dass verschiedene Tiere das Gras unterschiedlich lang abweiden.

(Rinder fressen das Gras lang ab, dann kommen Pferde, dann Schafe, Gaense...anschliessend die Weide ein paar Wochen ruhen lassen, bis das Gras wieder hoch genug fuer Rinder ist.)

Angeblich soll das Abweiden bis auf die Narbe die Wurzelbildung und das
Wachstum erhoehen (ok, sieht man ja bei Deichen) und den Ertrag der Weideflaeche steigern, ohne zu irgendwelchen Chemie-Tricks greifen zu muessen.

Die Hoefe, die ich kenne haben entweder nicht so viele Tierarten auf der Weide oder aber so viel Weideland, dass sie da noch nicht drann gedacht haben. Ich habe schon viel da drueber gelesen, aber in der Theorie hoert sich halt vieles schoener an, als es in Wirklichkeit ist.

ich hab deinen text mal hierher kopiert um es übersichtlicher zu gestalten. lächel

zuerst mal möcht ich sagen dass die idee an und für sich sehr gut ist. leider hat sie einen kleinen haken. staun um sie sinnvoll einzusetzen bedarf es extrem kleine einzelnen weideflächen die dann ganz spezifisch jede für sich bestossen werden müsste.

bei jeder fläche müssten folgende punkte berücksichtigt werden:

artenvielfalt des bewuchs
dominierende pflanzenarten
bodenbeschaffenheit
bodenorganismus
nährstoff

und nicht zuletzt was man darauf erzeugen will.

ich versuch mal ein kleines beispiel:

du hast rinder als ersten punkt genommen und da kenn ich mich am besten aus. lach

also nur ein ganz kleiner bereich der rinderernährung sind die fettsäuren und die terpene.
über 400 fettsäuren und unzählige terpene machen milch erst zu der "gesunden" milch und über die hälfte der fettsäuren kann die kuh nicht selber herstellen sondern muss sie über die nahrung aufnehmen, die terpene kann sie sogar nur über die nahrung aufnehmen.

um das zu ermöglichen braucht es 50% gräser und 50% kräuter und leguminosen.

wenn du jetzt die deiche ansiehst wirst du festellen das die artenvielfalt fürchterlich unter den schafen leidet da viel pflanzen das tief abweiden überhaupt nicht mögen. übrig bleibt eine gräserreiche weide mit guter wurzelbildung. somit ist die qualität die du ja anstreben willst zumindest bei der milch und dem rindfleisch weg.

wenn du jetzt auch noch gänse und enten darüber jagst werden die nicht nur die weide abfressen sondern die besatzdichte der regenwürmer verringern was die natürliche düngung der fläche veringert.

also weidefolgesysteme machen dann einen sinn wenn man pflanzenarten die ZU dominant sind zurückdrängen will oder eine andere art der planzenwelt fördern will. flächendeckene bewirtschaftung mit weidefolgen geht wie alles flächnedeckende immer nach hinten los.

bevor man sich über weidefolgen gedanken machen sollte sollte man sich gedanken darüber machen welche flächen für was geeignet sind.

es gibt luftaufnahmen aus der zeit so um 1915 bis 1930 herum. wenn du solche aus deiner gegend findest solltest du sie dir mal ansehen und dann die damaligen flächen auf den riesenfelder von heute suchen gehen.
mit der grosstechnik wurden schläge immer grösser egal ob der boden es hergibt oder nicht. man hat versucht den boden den maschinen anzupassen. früher hat man den boden so genutzt wie er war und was er hergeben konnte.
nicht jeder boden ist ideales weideland. das spektrum an nutzbarem boden ist zwar wesentlich höher als im ackerbau aber trotzdem muss man auch das grünland dem boden angepasst nutzen.
bei neuansaaten macht es wenig sinn einfach eine saatgutmischung draufzuhauen weil davon immer nur der standortgerechte anteil aufkommt der rest ist aus dem fenster geworfenes geld. gerade bei kräutermischungen kann da schnell mal 1000 € sinnlos verteilt sein weil ein grossteil der mischung ganz einfach einen anderen boden will.
fast jede weide hat stellen die schlecht abtrocknen und stellen die einfach früher gelb werden. alleine diesen umstand zu berücksichtigen in der beweidung ist ein thema für sich. wenn ich jetzt auch noch das ausbringen des festmistes diesen umständen anpasse und trotzdem die buttersäuren in der milch unter 50 sporen pro liter halte bin ich schon besser als ein grossteil der bauern.

also um das ganze zusammenzufassen für einen neubeginn eines hofes:

1. standortgerechte ansaat
2. aufwuchsgerechte beweidung und dem bewuchs angepasste düngung mit hofeigenem festmist und kompost.
3. witterungsangepasste beweidung der flächen (so gut möglich)
4. förderung der bodenbewohner
5. erhaltung der artenvielfalt durch gezielte düngung und beweidung.

wenn das alles nichts bringt kann man sich vor dem kauf einer teuren übersaatmischung gedanken machen über weidefolgen.

davon ausgenommen sind die pferde, die machen immer sinn sie nach den rindern auf die weide zu lasen. pferde ersparen einem das mulchen der flächen nach der beweidung und sollen die gefahr von lungenwürmern bei rinder senken.

ich bin jetzt vom eigentlichen thema abgekommen aber leider ist landwirtschaft nie nur ein thema sondern es betrifft IMMER das ganze. mit dem saatgut der weide entscheidest du wie die milch und das fleisch der rinder schmeckt. staun leider ist diese heute kein thema mehr da je eh alles genormt werden sollte wenn es nach den grossverteiler geht.

lg herby

15.10.2008 16:16

2 Pferde-Bauer

Wow...danke!

Damit haste mir schon ne ganze Ecke weitergeholfen.
Ich werd ma zusehen, dass ich solche Aufnahmen finde.

Ein Denkansatz zu dem Problem:

Wenn ich jetzt erst Rinder und Pferde auf die Weide lasse, anschliessend aber die Weide teile und nur einen Teil fuers Kurz abweiden durch Schafe/Gaense... freigebe, muesste anschliessend nach dem Aufwachsen wieder ein graeserreicher und ein artenreicher Teil fuer die Rinder zur verfuegung stehen.

So muesste es doch eigentlich funktionieren, oder?

16.10.2008 16:29 | geändert: 16.10.2008 17:08

3 Herby

hi pferdebauer

theoretisch ja. lächel

aber du willst ja qualität bieten mit deinem hof wenn ich dich richtig verstanden habe. bäh

jetzt nimm mal einfach einen theoretischen hof mit 10 kühen mit nachzucht ergibt wenn du die artenreiche ernährung sichern willst 12,5 ha
2 pferde sind nach meinen kenntnissen auch mit 2 ha zu berechnen.
50 schafe ergibt nochmal ca 6 ha.

ergibt ca 20 ha grünland wenn du es intensiv bewirtschaftest. um deine träume umzusetzen musst du aber eher mit 25 ha rechnen.

gib dieser fläche eine x-beliebige form und fang mal an einen beweidungsplan zu erstellen vom sagen wir mal 15. april an, was selten wirklich möglich ist aber man kann es ja theoretisch mal durchspielen.

denk aber dabei daran das du mindestens 1/3 der fläche ausblühen und versamen lassen musst um die artenvielfalt zu erhalten. die heugewinnung sollte auch noch irgendwo reinpassen.

der theoretische flächenbedarf pro kuh und tag kannst du mit 1are berechnen übers jahresmittel gesehen. die rechnung wird praktisch zwar nicht durchführbar sein aber sogar theoretisch wirst du merken dass deine weidefolge nur mit diesen drei tierarten ins straucheln kommt.

alleine an den buttersäuren sporen wirst du kläglich scheitern weil bevor die rinder wieder drauf kommen muss der kot der anderen tieren weg sein, da sich darin die buttersäurensporen mindestens verfünffachen. durch den wechsel der tierarten umgehst du den natürlichen schutz der rinder futter in kotnähe nicht zu fressen. schafkot und sogar pferdeäpfel werden von kühen nicht ausselektiert wie flächen mit kuhfladen.

pferde fressen also sehr nah an kuhfladen und vermehren die sporen dann im verhältnis 1 zu 5, danach kommen die schafe und fressen nah an die pferdeäpfel und vermehren es wieder 1 zu 5.

also wird aus einem sporen der die kuh frisst im kuhfladen 5, im pferdeapfel 25 und im schafkotkot 125 sporen den die kuh dann wieder frisst. somit wären wir bei 625 sporen und die kriegst du nicht mehr unter kontolle. bei der verweildauer von kot auf der fläche musst du berücksichtigen dass du die entwurmung der tiere mitberechnest, kot nach der entwurmung bleibt mehr als die doppelte zeit auf der wiese liegen da die insekten sie meiden.

also solltest du die beweidung theoretsch auf der fläche unterbringen können, hast du danach eine milch aus der du zumindest hartkäse unmöglich herstellen kannst. ausser du setzt ganz viele chemische zusätze ein oder kaufst dir ne schweineteure mikrofiltrieranlage.

wie gesagt, wenn du die milch nur an die molkerei lieferst ist alles kein problem, aber dein anspruch auf qualität verlangt ein viel höheres wissen als einfach nur ein bisschen tierwirt lernen.

versuch es doch mal anders rum. was willst du verkaufen?

sagen wir mal du willst möglichst viel geld aus wenigen tieren erzielen damit du die tiere artgerecht halten kannst. dann bleibt dir bei kühen nur die veredelung der milch als möglichkeit. also muss der hof auf die milch ausgerichtet werden.

keine silage ist also zwingend wenn du geld verdienen willst. nur ganz wenige leistungsfutter sind geeignet um danach käse herzustellen. also brauchst du eine rauhfutterkuh mit brauchbarer milchleistung. die muss fast zwingend eine zweinutzungskuh sein mit hohen käsereitauglichem kasein anteilen. schon 50 buttersäurensporen pro liter milch machen sie unbrauchbar zur rohmilchkäse herstellung. siehe oben traurig
dazu müssen sie kälber bringen mit hohen tageszunahmen aus dem grundfutter. die kälber müssen aber wenn du gutes geld für ihr fleisch, oder das der rinder was rechnerisch mehr sinn macht wenn du raufuttertiere hast, wenig deckfett aber einen gleichmässige leichten bis mittleren intramuskulären fettaufbau haben. wenn du jetzt die dir bekannten kuhrassen durchgehst werden sehr wenige übrig bleiben die diesen kriterien standhalten.

jetzt hast du also kühe und stellst käse her, wenn du es richtig machst belibt nur sirte übrig die muss entweder teuer entsorgt werden oder aber du hast schweine. noch so ein thema. du kannst wählen zwischen hochgezüchteten standartschweine mit zusätzlichen rippen damit men mehr kotteleten herstellen kann oder du wählst ein weideschwein.

aber damit sind wir nun wirklich vom thema weg. staun

aber ich bin mir sicher dir fällt noch was auf was ich bis jetzt nicht angesprochen habe. lach

lg herby

16.10.2008 20:04

4 Pferde-Bauer

Ok...ich merke schon, das mit der Weidefolge scheint ne schoene Theorie zu sein, die aber aus praktischen Gruende auch diese eher nicht verlassen wird. lach

Ich werd sie zwar nicht zu 100% ausschliessen, aber intensiv wird wohl doch nichts draus.

Danke fuer die Hilfe.

16.10.2008 21:15

5 Herby

hi pferdebauer

du nur weils im grossen nicht geht heisst es nicht dass man es zur korrektur nicht einsetzen kann. es ist halt kein system das auf den hof angewendet werden kann sondern halt nur im kleinen. wenn man schafe und gänse hat und man hat ne problemstelle auf einer fläche kann es, muss aber nicht das allerweltsmittel sein zur korrektur.

einfach im kopf behalten. vielleicht bruchst du sie nie vielleicht im ersten jahr. um das beste aus dem hof zu holen darfst du keine theorie vergessen denn irgendwann brauchst du jede, vielleicht nicht so wie du sie gelernt hast aber zumindest teile davon sind sicher früher oder später nützlich.

lg herby

17.10.2008 12:08

6 Pferde-Bauer

Ja...das meinte ich mit "nicht zu 100% ausschliessen". lächel

Der Hof steht und faellt natuerlich mit der Qualitaet der Produkte, die ja auch ein Grund dafuer ist, dass ich das machen will. Da muss man alles, was diese gefaehrdet halt mit Vorsicht behandeln.

Mit der Qualitaet ist das auch noch so ne Sache...z. B. wegen dem Kaese...entweder brauche ich jemanden, der das gut kann, oder mir das beibringt...was ja auch nich von heute auf morgen geht. Denn es soll dann ja nicht nur von der Definition her Kaese sein, sondern auch ein hochwertiges Produkt und das hoert ja nicht bei der tierischen Erzeugung auf.

Ich werd mir im Laufe der Zeit noch ueber vieles Gedanken machen muessen lach

17.10.2008 16:32

7 Herby

hi pferdebauer

käse herstellung ist zu einem grossen teil übungsache.

einen guten kurs besuchen und anfangen für dich selber käse zu machen. es werden viele fragen auftauchen und mit den fragen im gepäck den nächsten kurs besuchen.

lg herby


17.10.2008 17:16

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